Es ist einer der Lieblingsplätze meiner Hundedame Cognak: Über die Gräber des kleinen Friedhofs schaut sie hinaus über das Tal, darüber derzeit meist heller Sonnenschein.
Die Umgebung, das Land, die Welt scheinen sich derweil geändert zu haben in den letzten Wochen. Ostern ohne öffentliche Liturgie - wer mich vor wenigen Monaten gefragt hätte, ob das möglich sei - ich hätte es für absolut undenkbar gehalten. Freilich: Ob es nachvollziehbar ist, dass auch in großen Kathedralen kein Gottesdienst stattfinden darf, aber die Bau- und Gartenmärkte in vielen Bundesländern ihre Kundschaft empfangen dürfen, darüber kann man durchaus kritisch nachdenken. Aber in einem Land, in dem viele Medien auch zu normalen Zeiten davon berichten, dass "Kirchen und Gewerkschaften" etwas fordern - und die Kirche damit einreihen in die allgemeine Liste gesellschaftlicher Organisationen - muss man sich nicht wundern, dass die Kirche auch in dieser merkwürdigen Zeit kein besonderes Gehör mehr findet bei denen, die entscheiden.
Für mich als Seelsorger stellt sich die Frage: Wie ist den Menschen jetzt beizustehen, die Sehnsucht nach Beistand haben, die ich aber nicht treffen und besuchen, mit denen ich nicht die Sakramente feiern darf? Per Skype werde ich in diesem Jahr Osterspeisen weihen, die Karfreitagsliturgie des Bundeswehrkrankenhauses wird per Funk in die Patientenzimmer übertragen: Die Technik gibt uns Mittel und Möglichkeiten. Und dennoch bemerke ich schmerzlich, wie sehr mir die Menschen, wie sehr mir das konkrete Gegenüber fehlt. Ein Mikrofon und eine Kapellenwand sind eben keine Gottesdienstgemeinde. Ich vertraue auf den Heiligen Geist: Dass er uns auch weiterhin Möglichkeiten aufzeigt, wie wir diese Zeit durchstehen - und dass er den Entscheidern auch den Mut gibt, zum richtigen Zeitpunkt wieder normales Leben möglich zu machen.
Leider ist es die Angst - begründete und unbegründete, formulierte und gefühlte - die viele Menschen in diesen Tagen im Griff hat. "Angst nimmt uns nicht den Tod, Angst nimmt uns das Leben" hat ein kluger Mensch einmal notiert. Die Aufgabe der Kirche, die Aufgabe gläubiger Christen ist es, den Menschen Gelassenheit zu vermitteln. Gelassenheit ist keine billige Naivität, aber sie setzt einen Contrapunkt zu einer inneren Flucht, auf die sich mancher ausweglos begibt. Die Geheimnisse der Heiligen drei Tage, das Mysterium des Osterfestes bedeutet: Nach und trotz Leid, Schmerz und Tod gibt es etwas, gibt es Jemanden, der siegt. Es gibt mehr als das, was wir in dieser Welt wahrnehmen, sehen, kaufen, organiseren, einklagen können. Dieses Leben wird für uns Alle einmal ein Ende haben und auch unsere Gräber haben nur eine gewisse Zeit bestand, die Namen der meisten von uns sind in hundert Jahren längst vergessen. Ostern sagt uns: Erinnere dich, Mensch: Über all deinem All-Tag gibt es eine Zeit, die keine mehr ist, gibt es einen Gott, der um dich weiß und der dich nie verlässt. Ostern ist Leben statt Tod und in diesem Jahr ist Ostern hoffentlich auch Zuversicht und Gelassenheit statt Angst und Panik.
Cognak schaut derweil weiterhin über die Gräber. Sie schätzt wohl den Blick ins Weite - und sie schaut hinaus in den Himmel, der uns verheißen ist.
Liebe Leser, ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest - tun Sie bitte das, was für Christen in der Osterzeit typisch war und ist, durch zwei Jahrtausende hindurch: Öffnen Sie der Lebensfreude Tür und Tor. Christus hat den Tod besiegt, Halleluja!
Ihr Pater Stefan